Starkes Zeichen auf dem Dietlinger Dorfplatz: 75 Jahre Grundgesetz

Das Transparent ist unzweideutig:

„Zusammendorf. Keltern zeigt Gesicht für die unantastbare Würde jedes Menschen“.

Eine große und bunte Gruppe engagierter Menschen hatte sich eingefunden auf dem Dietlinger Dorfplatz am 25. Mai, Menschen aus Keltern, aus Pforzheim, aus dem Umland, auch junge Leute, Schulkinder. Ihr Anliegen: Flagge zeigen zum 23. Mai 1949, der Geburtsstunde des Grundgesetzes, Geburtsstunde auch der Bundesrepublik Deutschland. Rednerinnen und Redner aus Keltern und Pforzheim erzählen von der Entstehung des Grundgesetzes, damals beabsichtigt nicht Verfassung genannt, man dachte schon an die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, dann erst. Vier Frauen und 61 Männer, der Parlamentarischen Rat, erarbeiteten dieses „großartige Geschenk“ für Deutschland, so nannte es auch Bundespräsident Steinmeier. Den vier Frauen, Friederike Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel war ein eigener Beitrag gewidmet. „Die Grundrechte sichern unser Leben in Freiheit und Sicherheit, den Schutz von Menschenrechten, Demokratie, Rechtsstaat und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen“, emotional vorgetragen und verstärkt noch durch die dann gemeinsam gesungenen Lieder „Wehrt Euch“ und „Über den Wolken“. Freiheit und Menschenwürde, und strikter, gewaltloser, Einsatz gegen Rechtsradikalismus und Nationalsozialismus, gegen die Demokratiezerstörer AfD. „Kein Glitzer für Nazis“ war auf einem Schild zu lesen.

Mitglieder des Inklusionsrates waren dabei, auch mit einem Redebeitrag zu den Kinderrechten, ja, auch die gibt es; bleiben Wunsch und Hoffnung, dass das „Zusammendorf“ zusammenbleibt und weiterhin starke Zeichen setzt. Auf dem Dietlinger Dorfplatz, und darüber hinaus.

Vielen Dank an alle Mitmacherinnen und Mitmacher.  

Text: Rolf Mertz

Der Down-Syndrom Welttag 2024 in Pforzheim

Nachbetrachtung: Lesung mit Raúl Krauthausen am 20.02.2024 in der Stadtbibliothek in Pforzheim

„Ich bin Berufsbehinderter…“

… sagt er und der Schalk scheint ihm förmlich im Nacken zu sitzen.

Raúl Krauthausen, in Peru geboren, kleinwüchsig und mit Glasknochen, in Berlin lebend, rastlos unterwegs in Sachen Inklusion. Sein Anliegen: Leute, lasst uns zusammen sein, ohne Vorurteile, ohne Diskriminierung. Mal herzhaft und ansteckend lachend, mal mit knitzen Augen sein Publikum fixierend, manchmal anklagend, wo klemmt´s, dann von Lichtblicken erzählend, auch Rückschläge benennend, das Ziel aber nie verlierend: Inklusion, was sonst?

Anderthalb Stunden lang erzählt Raúl Krauthausen aus seinem Leben, von seinen Eltern, den Schwierigkeiten mit seiner Behinderung, Schule, Ausbildung und- „Dachdecker wollte ich eh nicht werden.“, so der Titel seines Buches. Ein rasanter Ritt durch eine schier unglaubliche Vita, aufgeben gilt nicht.

Berlin, sagt der 43-Jährige studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikations-wissenschaftler, war Vorreiter, schon während seiner Kindheit gab es da inklusive Schulen, bis heute für ihn unvergessen, weil einmalig. Und Ursprung seines Tatendrangs, seines Ringens.

Christine Bischoff, Martin Sattler und Rolf Mertz, stellvertretend für den Kelterner Inklusionsrat vor Ort; berührt, gleichzeitig beeindruckt von der Wucht des Vortrags.

Im persönlichen Austausch vorab zeigt Raúl Krauthausen sich wiederum verblüfft ob der Aktionen, die wir, auch gemeinsam mit Rathaus, Bürgermeister und Gemeinderat, in Keltern angeschoben haben. Christine Bischoff und Martin Sattler, beruflich tief im Thema, diskutieren mit ihm im Schnellgang Zustand und Zukunft der Inklusion, was ist, was wird, was muss werden.

Macht weiter so, inspiriert er zum Abschluss, die Steine im Weg, kickt sie einfach weg. Dazu wieder dieses optimistische Lachen, Daumen nach oben, go on!

Grandios auch der Satz von ihm: “Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden.“ Bestimmt nicht zufällig hat er diesen bedenkenswerten, aber auch entlarvenden Leitsatz zum Titel seines aktuellen Buches gemacht.

Und moniert gleichzeitig die übliche Absenz der Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger beim Vortrag, beim notwendigen Disput. „Nach der Begrüßung und dem Fotoshooting sind sie allesamt weg,“ man spürt seinen Ärger darob.

Ein unvergesslicher Abend, Aufmunterung und Antrieb zugleich, konsequent Inklusion zu fördern, einzufordern, ganz im Sinne von Raúl Krauthausen, niemanden außen vorlassend, alle mitnehmend.

„Ein Teufelskerle“, sagte einer im Publikum. Stimmt.

Text: Rolf Mertz, Foto: Anne Marie Rouvière-Petruzzi

Für die 'Kernzeit für Alle'